Icing the Current Warm Period
Neulich stieß ich auf dem Blog skepticalscience auf einen schwachen Blogbeitrag, gestaltet von einem gewissen Daniel Bailey. Da sich in diesem Beitrag in meinen Augen in nicht intellektuell redlicher Weise mit der MWP beschäftigt wird, entschloß ich mich dazu, einige Kommentare abzugeben. Ein schwerer Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte - ad hominem Attacken, ehrrührige Beleidigungen.
Aus diesem Grunde werde ich mir besagten Beitrag in diesem Post genauer ansehen. Bailey beginnt seinen Beitrag "Icing the Medieval Warm Period" mit einigen einleitenden Bemerkungen, die für uns nicht von Interesse sind.
Er führt dann aus:
One of the commonly raised objections from those who would have us debate even the existence of gravity is that "It was warmer in the Medieval Warm Period." This is an innocent, but untrue, claim clearly unsupported by the available literature. Indeed, Martin-Chivelet et al reveals the 20th Century as the time with highest surface temperatures in Northern Spain in the last 4,000 years.
Zunächst ist die Frage zu klären, was mit der - den Skeptikern unterstellten - Aussage "It was warmer in the Medieval Warm Period" gemeint ist. Aus dem Kontext ist ersichtlich, dass es sich hierbei um eine generelle Aussage, auf den ganzen Globus gemünzt, handeln muss, da Robert Way, der Autor des verlinkten Textes, selbst Folgendes einräumt:
Firstly, evidence suggests that the Medieval Warm Period was in fact warmer than today in many parts of the globe such as in the North Atlantic.
Trifft man diese generelle Aussage, dann weist Bailey zurecht anschließend darauf hin, dass diese generelle Aussage nicht von der wissenschaftlich relevanten Literatur gestützt wird. Auch erscheint es sinnvoll und angebracht zu sein, dieser generellen Aussage mit einer neuen, regionalen Studie aus dem Norden Spaniens zu begegnen. Mir stellt sich die Frage, mit welchen "Skeptikern" Bailey wohl verkehren muss, wenn er des Öfteren hört, dass die Temperaturen während der MWP global, dh. letztlich sowohl regional, hemisphärisch als auch global übereinstimmend höher waren als sie es heutzutage sind. Ungeachtet dessen widerlegt die Studie Chivelets imho eine solche Aussage - ihre Korrektheit vorausgesetzt.
Sehen wir weiter:
The Medieval Warm Period (MWP) was a period of supposedly warm climate during the early part of the past thousand years. How long it lasted, what areas were affected and even if it existed have been questioned. Some areas seem to have been affected more by changes in precipitation than in temperature.
Der ersten Aussage kann ich wenig abgewinnen. Ich habe ja schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die MWP im Vergleich zur in der gleichen Region nachfolgend auftretenden Kleinen Eiszeit, was die gemittelten Temperaturen betrifft, nachweislich wärmer war. Ist man der Ansicht die Kleine Eiszeit wäre ein globales Phänomen gewesen - dazu tendiere ich - dann war die MWP in der Tat global gesehen wärmer - Durchschnittstemperaturen - als die Kleine Eiszeit. So gesehen erscheint es mir ein wenig fahrlässig zu sein, ein "supposedly" einzustreuen, ohne zu erklären, auf welchen Vergleichszeitraum sich dieses "supposedly" denn nun bezieht. Die zweite und dritte Aussage soll uns, unter umgekehrten Vorzeichen, zum Schluss dieses Postings beschäftigen.
Jetzt geht der Autor zum Hauptteil seines knapp zweiseitigen Beitrages über. Er führt die Studie von Koch und Clague mit dem Titel Extensive glaciers in northwest North America during Medieval Time an. Da ich nicht beabsichtige dem Springer Konzern 34 Euro für die Durchsicht eines Artikels zu übermitteln und die Autoren (noch) keine frei downloadbare pdf-Kopie auf ihren Webseiten (Dr. Johannes Koch, Dr. John J. Clague) zur Verfügung stellen, muss ich auf Baileys Interpretation zurückgreifen und schweren Herzens von deren Richtigkeit ausgehen.
Bailey meint nun, dass diese Studie neue Evidenz liefert, in dem sie zeigt, dass
several glaciers in western North America and elsewhere in the world advanced during Medieval time and that some of these glaciers achieved extents similar to those at the peak of the Little Ice Age, a very cold period many hundreds of years later.
Interessant ist, dass hier davon die Rede ist, dass sich mehrere/einige Gletscher in Nordamerika und andernorts auf der Welt während des Mittelalters ausdehnten und ein paar/manche von diesen mehreren/einigen Gletschern in Nordamerika und andernorts auf der Welt Ausdehnungsraten erreichten, wie sie zum Höhepunkt in der Kleinen Eiszeit - ich nehme an, bei denselben Gletschern - vorkamen.
Ich möchte von den "ein paar" der "einigen" Gletscher, ersichtlich aus der verlinkten Grafik, den Gorner, Aletsch und Grindelwald Gletscher herausnehmen. Wie ich bereits in meinem Interview mit Diplom Meteorologe Klaus Puls angeführt habe, spricht Holzhauser in Bezug auf die Ausdehnung des Gorner Gletschers im Mittelalter davon, dass diese nur "schwach" (weak) war:
During the Mediaeval Climate Optimum, the glacier advanced weakly in the twelfth century AD and in AD 1186 reached an extent comparable with that of c. 1950. ... At no other glacier in the Swiss Alps are the fourteenth-century advance and the Mediaeval Climatic Optimum so well documented as at the Gorner glacier. (Ibid., 794)
Ebenfalls für den Aletsch und Grindelwald Gletscher kann Ähnliches festgehalten werden.
The Mediaeval Warm Period, from around AD 800 to the onset of the LIA around AD 1300, was interrupted by two weak advances in the ninth (not certain because based only on radiocarbon dating) and the twelfth centuries AD (around AD 1100). (Ibid., 792)Figure 2 shows evidence that, despite differences in size and location, the variations of the Great Aletsch, the Gorner and the Lower Grindelwald glaciers show strong similarities over the last 3500 years. (Ibid., 796) (Siehe Figure 2, 791, W.v.B.):
Doch weiter. Bailey schlussfolgert nun
that these glacial responses could not have happened in a world with a climate similar to ours today. Indeed, recent studies (here and here) by Mauri Pelto show that glaciers without a consistent accumulation zone (where the glacier "packs on weight") will not survive. This helps explain why today's glaciers (responding to today's warming wTorld) are retraiting to their smallest areas in many thousands of years, exposing their longer histories in the form of buried datable material for scientists like Koch and Clague to decode.
Der Autor scheint zu meinen, dass während einer MWP, in welcher, wie er weiter unten im Originaltext erläuternd ausführt, per Annahme, Sommer so warm gewesen sein sollen wie heutzutage, sich Gletscher global und signifikant zurückziehen hätten müssen. Da dies anscheinend nicht der Fall war, konnten die globalen Temperaturen damals nur für einen gewissen Zeitraum während der MWP "warm" gewesen sein. Dazu, quasi unterstützend, werden zwei Studien von Pelto angeführt. Wobei ich über weite Strecken wohl eher von aus-eins, mach-zwei ausgehen würde (z.B. der zweite Absatz in der Conclusion aus dem Paper, erschienen in Quaternary International 235, (2011), 75 ist nahezu ident mit den ersten 16 Zeilen des vierten Absatzes der Conclusion aus dem Paper, erschienen in The Cryosphere, 4, (2010) 74).
Zurück zu Bailey. Seine Schlussfolgerungen mögen, wie zu Beginn bereits zugestanden, auf die Behauptung der Existenz einer global auftretenden, in Zeit und Ausdehnung übereinstimmenden MWP zutreffend sein, gehen jedoch an der Definition einer MWP, wie ich sie verwende und wohl die Mehrheit der Wissenschafter und Laien in ähnlicher Weise verwenden, spurlos vorbei.
Auch stellt sich mir die Frage, ob man von einigen, wenigen sich heute ausdehnenden Gletschern, auf allen Kontinenten, davon ausgehen können sollte, dass sich erstens die Erde nicht global erwärmt und zweitens, dass es nur für einen gewissen Zeitraum innerhalb der gegenwärtigen Warmperiode "warm" ist?
Des Weiteren scheint mir die Folgeaussage,
This helps explain why today's glaciers (responding to today's warming world) are retraiting to their smallest areas in many thousands of years, exposing their longer histories in the form of buried datable material for scientists like Koch and Clague to decode.
problematisch zu sein. Zunächst einmal gibt es, wie erwähnt, immer noch einige Gletscher die sich ausdehnen oder bis in die späten 90er ausgedehnt haben. Des Weiteren ist die Aussage, dass sich "today's" Gletscher auf die "smallest areas in many thousands of years" zurückziehen/-bilden so allgemein behauptet, einfach falsch. Kaser et al. 2010 gehen, wie aus einem meiner vorangegangenen Posts ersichtlich, z.B. davon aus, dass "absence of plateau glaciers before 1200 [für den Kilimanjaro, W.v.B.] is shown and it is very probable that such extended dry periods have occurred several times throughout the Holocene".
Auch, um ein weiteres Gegenbeispiel anzuführen, Ivy-Ochs et al. sprechen im Abstract zu ihrer Arbeit "Latest Pleistocene and Holocene glacier variations in the European Alps", davon, dass Gletscher in den Österreichischen und Schweizer Alpen über längere Perioden während des Holozäns kleiner waren als sie es heutzutage sind.
Wenn nun Herr Bailey in seiner Interpretation von Koch und Clague zum "finalen Schluss" kommt, "glacier advances in the MWP" setzten "periods of cooling" voraus und dies wiederum würde dafür sprechen, dass der Terminus "MWP durch MCA abgelöst werden sollte", dann kann ich nur entgegenhalten:
Wenn dem so ist, dann fordere ich für die gegenwärtige Warmperiode, dass, da es auch hier glacier advances gab und gibt, wenn auch vielleicht nicht so stark ausgeprägt wie für die MWP behauptet - die MWP erholte sich auch nicht von der kältesten Periode mehrerer Jahrtausende - ebenfalls von kühlenden Phasen innerhalb dieser Periode auszugehen ist, die sich u.a. auch glaziologisch (vielleicht verzögert) - eine globale Abkühlung kann ja zumindest für den Zeitraum von 1940 bis 1970 angenommen werden - bemerkbar mach(t)en.
Da dem so ist, wäre es nur folgerichtig, eine gegenwärtige Warmperiode als CCA oder Anomalie zu bezeichnen. Um auf die nicht behandelten Aussagen zurückzukommen.
How long it lasted, what areas were affected and even if it existed have been questioned. Some areas seem to have been affected more by changes in precipitation than in temperature.
Es könnte sein, dass ich mich täusche aber passen diese Fragen nicht auch sehr gut in die Jetztzeit?
Ich finde abschließend, dass der Terminus einer CCA auch aus einer rein zeitgeschichtlichen Betrachtung heraus wohl zutreffender wäre, wenn man bedenkt, dass vor 35 Jahren Newsweek noch einen Artikel veröffentlichte, in dem vor den Folgen einer nahenden Eiszeit gewarnt wird.
So liest man:
Climatologists are pessimistic that political leaders will take any positive action to compensate for the climatic change, or even to allay its effects. They concede that some of the more spectacular solutions proposed, such as melting the arctic ice cap by covering it with black soot or diverting arctic rivers might create problems far greater than those they solve.
Newsweek, April 28, 1975, 64.